FOROST
FORSCHUNGSVERBUND OST- UND SüDOSTEUROPA
2.IV.4 Diskurse in den EU-Beitrittsländern Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien über die Zwangsmigrationen der Jahre 1938-1950
Arbeitsfeld:
2.IV Ethnischer Pluralismus und nationale Identitätspolitik im europäischen KontextZiel des Projektes ist die vergleichende Untersuchung der Debatten, die seit der Wende in den EU-Beitrittsländern Ostmitteleuropas zur Frage der "Vertreibungen" geführt wurden. Berücksichtigt werden dabei nicht nur Diskurse über die Flucht und Vertreibung der Deutschen, sondern alle Debatten über jene Zwangsmigrationen, die zwischen 1938 und 1950 auf dem Gebiet Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens feststellbar sind. Deutschland, Österreich und die Europäische Union werden bei der Analyse der transnational geführten Debatten in die Untersuchung miteinbezogen. Projektbeschreibung Die seit 1989 geführten Diskussionen bilden miteinander vernetzte, aber national zentrierte Diskurse. Die strukturellen Verschränkungen zwischen den einzelnen nationalen Diskursen werden an einigen Beispielen (wie der Debatte um die Beneš-Dekrete) transparent gemacht. Im Zentrum des Interesses steht für die Projektarbeit jedoch nicht die Klärung rechtlicher oder historiographischer Probleme, sondern die Funktionalisierung der Debatten im Kontext der Transformation. Die Frage, in welchen Aspekten die Diskurse als binnen- oder transnationale betrachtet werden können, wird dabei für die Bereiche Politik, Medien und Wissenschaft untersucht. Die verwendeten Auto- und Heterostereotypen, ihre historische Grundierung und aktual-politische Instrumentalisierung bleiben dabei in das Gesamtbild ebenso einbezogen wie die Debatten um die europäischen Grundwerte und die Verarbeitung aktueller Ereignisse - z.B. der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien. In der Analyse werden zunächst die Trägergruppen bestimmter Diskurse identifiziert und Phasen diskursiver Verdichtung für die analysierten Gesellschaften vergleichend festgestellt. Der Grad der inhaltlichen Festlegung des nationalen Geschichtsbildes und der Wandel der verwendeten Terminologie zum Thema "Vertreibung" wird anschließend thematisiert. Ein spezielles Gewicht liegt auf der Analyse des Wanderns von Motiven und Argumentationsketten und der Vereinigung widersprüchlicher Deu-tungen aus den Bereichen Politik, Medien und Wissenschaft zu einem gesamtgesell-schaftlichen Leitbild. Dabei wird die Funktionalisierung der Vertreibungsthematik auch dahingehend untersucht, von welchen Gruppen in der Debatte positive oder negative Bezüge zu einzelnen europäischen Grundwerten hergestellt werden. Als Quellen dienen dem Projekt offizielle Dokumente (z.B. Regierungserklärungen, Gesetze, bilaterale Übereinkommen), Dokumente politischer Parteien und Akteure (Parteiprogramme, Wahlkampfreden, Interviews), die politische, literarische und wissenschaftliche Publizistik (z.B. Fachzeitschriften) und Verlautbarungen von Fachgremien, Interessensverbänden und einzelnen Personen des öffentlichen Lebens seit 1989. Die Projektarbeit erfolgt in einem Team von Wissenschaftler/innen aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. In ihm sind bereits verschiedene Disziplinen vertreten (Geschichte, Politikwissenschaften, Literaturwissenschaften, Soziologie). Den verbindenden methodischen Ansatz liefert hierbei die Diskursgeschichte, die im Rahmen des Projekts als Verbindung und Weiterentwicklung der sprachwissenschaftlich orientierten kritischen Diskursanalyse und des Theorieansatzes der Erinnerungskultur und Geschichtspolitik verstanden wird. Außerdem arbeitet das Forscherteam mit Methoden der Identitäts- und Stereotypenforschung sowie der Imagologie. Ergebnisse aus dem Bereich der Migrationsforschung dienen der Einordnung der Migrationsprozesse der Jahre zwischen 1938 und 1950.