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TP 5: Piezoelektrische Dünnschichtsysteme für Biochipanwendungen

Arbeitsfeld:

Dünne oxidische Schichten

Materialien mit fehlender Inversionssymmetrie weisen neben ferro- und pyroelektrischen Eigenschaften oft auch piezoelektrische Eigenschaften auf. Piezoelektrika sind Materialien, die unter Einfluss eines elektrischen Feldes definierte Formänderungen erfahren und umgekehrt. Neben einkristallinen Festkörpern (wie z.B. Quarz, LiNbO3, LiTaO3) können auch polykristalline Materialien mit einer Vorzugsrichtung piezoelektrisch sein – ein prominentes Beispiel hierfür ist z.B. c-Achsen orientiertes ZnO. Auf solchen Materialien können lithografisch definierte und lateral strukturierte Metallelektroden (sog. Interdigitaltransducer) hergestellt werden, durch die unter Anlegen einer Hochfrequenzspannung (einige hundert MHz) kohärente und beinahe monochromatische akustische Oberflächenwellen generiert werden können. Akustische Oberflächenwellen (OFW) sind Moden elastischer Energie, bei denen der Energiefluss auf eine dünne Schicht (von der Größenordnung der Wellenlänge) an der Oberfläche des Substrats konzentriert ist. Akustische Oberflächenwellenbauteile werden seit ca. 30 Jahren in großem Maßstab als Hochfrequenzfilter vor allem in der Mobilkommunikation eingesetzt. Der besondere Vorteil solcher Filterelemente liegt in der Kleinheit, der Robustheit und den niedrigen Herstellungskosten. In diesem Teilprojekt sollen akustische Oberflächenwellen jedoch für einen gänzlich unterschiedlichen Zweck Einsatz finden: Aufgrund der an der Substratoberfläche konzentrierten elastischen Energie von OFW können diese sehr effizient mit Störungen der Randbedingungen an der Substratoberfläche in Wechselwirkung treten. Solche "Störungen" können z.B. Veränderungen der elektrischen oder akustischen Impedanz der freien Oberfläche sein. Eine piezo-elektrische Wechsel¬wirkung ist zum Beispiel die Anwesenheit einer dünnen leitfähigen Schicht an der Oberfläche eines Piezoelektrikums. Durch die leitfähige Schicht werden die die OFW auf einem Piezoelektrikum begleitenden elektrischen Felder mehr oder weniger abgeschirmt werden und somit die Oberflächenimpedanz beeinflussen. Diese Veränderung der Oberflächenimpedanz kann dann z.B. durch eine geänderte Schallgeschwindigkeit der OFW, bzw. eine Bedämpfung in Erscheinung treten. Vielfältige Sensoranwendungen, die auf dieser piezoelektrischen Wechselwirkung beruhen, sind bereits heute im Einsatz. Eine andere Art der Wechselwirkung von OFW mit Störungen der Randbedingungen an der Substratoberfläche sind mechanische bzw. elastische Diskontinuitäten. Hier sei insbesondere ein Massenbelag der Oberfläche mit einem vom Substrat verschiedenen Material genannt. Sobald ein Teil der ansonsten freien Substrat¬oberfläche mit einem Massenbelag versehen wird, ändert sich dort lokal die akustische Impedanz, was sich ebenfalls durch eine geänderte Schallgeschwindigkeit und evtl. eine Bedämpfung der Welle äußert. Grund für diese Wechselwirkung ist u.a. ein Verlust mechanischer Energie in den Massenbelag hinein, bzw. verursacht durch eine zusätzliche Beschleunigung des Massenbelags durch die periodischen Auslenkungen der Substratoberfläche durch die OFW. Auch auf Massenbelag beruhende akustische Sensoren sind seit einigen Jahren erfolgreich im Einsatz. Für OFW mit nicht verschwindender Oberflächenauslenkung senkrecht (z-Richtung) zur Substratoberfläche (z.B. sog. Rayleighwellen) ist die Wechselwirkung mit viskosen Medien wie Flüssigkeiten besonders stark: Eine solche OFW wird durch Energieverlust in die Flüssigkeit hinein extrem stark bedämpft. Aus diesem Grunde wurden OFW-Flüssigkeitssensoren bislang nur für sog. Scherwellen mit verschwindender z-Auslenkung beschrieben. Im hier beantragten Projekt sollen jedoch gerade solche OFW zum Einsatz kommen, da der Energieverlust in eine Flüssigkeit hinein aktiv und positiv genutzt werden soll. Die akusto-mechanische Wechselwirkung von OFW und Flüssigkeiten auf der Oberfläche von Substraten zur aktiven Manipulation der Flüssigkeiten wurde vor einigen Jahren in unserer Arbeitsgruppe erstmals untersucht und beschrieben. Einige grundlegende Untersuchungen zu diesem Themenkomplex wurden unlängst im Rahmen des Bayerischen Forschungsverbunds FORNANO sehr erfolgreich abgeschlossen. Etwa zeitgleich mit dem Beginn von FORNANO wurde basierend auf dieser gänzlich neuen und unkonventionellen Technologie, Flüssigkeiten zu manipulieren, aus dem Center for NanoScience der LMU München heraus unsere Projektpartnerin Advalytix AG gegründet, die die Vermarktung akustisch getriebener Biochips und darauf basierender Systeme betreibt. Weiter unten wird die Technologie anhand diverser Anwendungsbeispiele, die bereits kommerziell erhältlich sind, noch genauer beschrieben. Im hier beantragen Forschungsprojekt sollen oxidische Dünnschichtsysteme auf nicht-piezoelektrischen Fremdsubstraten wie Silizium oder Glas hergestellt werden mit dem Ziel, akustische Oberflächenwellen zur gezielten Agitation bzw. Aktorik kleinster Flüssigkeitsmengen auch auf solchen Substraten anregen zu können. OFW können prinzipiell auf jedem (Festkörper-) Substrat propagieren, ihre einfache und effiziente Anregung erfordert i.a. jedoch den piezoelektrischen Effekt. Diese Piezoanregung von OFW durch piezoelektrische oxidische Dünnschichtsysteme auf Fremdsubstraten soll im Zentrum unseres wissenschaftlichen Interesses stehen. Der unmittelbare Vorteil für unsere Industriepartnerin, die Advalytix AG, besteht dann in der Ausweitung der OFW-Technologie auch auf andere Substrate als die bislang verwendeten piezoelektrischen Einkristalle aus LiNbO3. Insbesondere für Biochips hat sich weltweit mehr oder weniger ein Standardformat von 1’’ x 3’’ (Mikroskopslide) herauskristallisiert. Dieses Format ist jedoch für Einkristallsubstrate ökonomisch sehr ungünstig, da sehr viel "kostbare" Substratfläche verbraucht wird, ohne dass eine wirkliche Notwendigkeit dafür besteht. Advalytix hat dieses ökonomische Problem bislang dadurch umgangen, dass piezoelektrische Einkristalle kleiner Größe in nicht-piezoelektrische Fremdsubstrate eingeklebt wurden, bzw. durch Verwendung eines geeigneten Koppelmediums ein mechanisch-akustischer Kontakt zwischen Nutzsubstrat und OFW Generatorchip erreicht wurde. Auf diese Weise kann zwar eine über die Substratgröße hinaus gehende Strömung in z.B. einem Kapillarspalt angeregt werden, die Existenz der akustischen Oberfläche ist jedoch auf die "Chipgröße" begrenzt. Für viele Anwendungen wäre es jedoch vorteilhaft, auch auf dem Fremdsubstrat selbst OFW zu generieren. Dies soll durch die hier beschriebene Hybridisierung aus Piezoelektrikum und Fremdsubstrat gelingen.

Informationen

Gründungsdatum

01.2014

Ende

02.2017

Gefördert durch

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz