FORTiTher
FORSCHUNGSVERBUND TUMORDIAGNOSTIK FÜR INDIVIDUALISIERTE THERAPIE
TP4: Tumorcharakterisierung für die personalisierte Medizin
Arbeitsfeld:
Teilprojekt 4: Systembiologie der Tumor-Wirtsinteraktion
AG Thomas Dandekar
Industriepartner: LABOKLIN
Hintergrund und Stand der Forschung
Mit den modernen Möglichkeiten der Datenverarbeitung können heute große Datenmengen auch in der Charakterisierung individueller Tumoren aufgearbeitet und analysiert werden (Azad and Shulaev, 2018). Moderne OMICS-Techniken generieren individuelle Profile des Transkriptoms, des Proteoms, des Genoms und des Epigenoms (inklusive mikro-RNAs) in Tumoren und Geweben (Assie et al., 2014a; Assie et al., 2014b; Brown et al., 2016; Davalos et al., 2017; Kronfol et al., 2017; Pasculli et al., 2018; Roy-Chowdhuri et al., 2017; Schmidt and Hildebrandt, 2017; Zheng et al., 2016), die für die individualisierte Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln genutzt werden können (Dugger et al., 2018; Kunz et al., 2016a). Methylom- und mikro-RNA-Profile von Tumoren führen oft zur schnellen Translation in therapeutische Strategien (Damaskos et al., 2017b; Han and He, 2016; Kronfol et al., 2017; Wang et al., 2017). Untersuchungen des Metaboloms ergänzen das Spektrum der Möglichkeiten und sind zum Beispiel bei der Untersuchung endokrin aktiver Tumore wie den Tumoren der Nebennierenrinde eine sehr wertvolle Information (Beger et al., 2016; Penkert et al., 2016; Wishart, 2016).
Für unser Konsortium, den Forschungsverbund „Tumordiagnostik für individualisierte Therapie FORTiTher“ und seinen Anwendungsfokus, ist die Systembiologie der Tumorigenese selbst und auch die Systembiologie der Organotropen Metastasierung deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, um die Tumor-Wirts-Interaktion zu analysieren. Besonders auch die Analyse der metastatischen Nische von Tumoren ist von eminenter Bedeutung, wenn es darum geht, das Überleben von Tumorzellen in präformierten Nischen zu beschreiben und therapeutisch zu modulieren. Wenn Tumorzellen die Knochenmarksnischen besetzen, können sie dort lange therapieresistent überleben und zum Ausgangspunkt des Rückfalls werden. Tumorzellen, die nach dem Kontakt mit Zellen des Wirtsorganismus erneut proliferieren, haben dann auch eine biologische Signatur, die sich wesentlich vom Primärtumor unterscheidet. Auch die Signatur des Wirtsgewebes ist dann verändert und diese wechselseitigen Einflussnahmen müssen systembiologisch analysiert werden, damit man letztendlich auch die spezifischen Eigenschaften der Tumornische von denen der physiologischen Stammzellnische unterscheiden und gezielt beeinflussen kann.
Neben verschiedenen bioinformatischen Methoden der Datenanalyse und Modellierung sind insbesondere Boolesche semiquantitative Modelle sehr gut geeignet, Tumorwachstum, wichtige Tumorsignalkaskaden, aber auch das Ansprechen auf therapeutische Interventionen gut und effizient zu modellieren. Wie unsere Arbeitsgruppe zeigen konnte, sind therapeutisch relevante Vorhersagen für die klinische Situation möglich, wenn sie primäres Tumormaterial, aber auch experimentelle Befunde aus Zellkulturen und in-vitro Testsystemen adäquat abbilden (Stratmann et al., 2014; Göttlich et al., 2016; Göttlich et al., 2018).
Da kinetische Information und ausreichende Daten für viele Parameter häufig nicht vorhanden sind, eignen sich für die Modellierung von Tumor und Signalkaskaden insbesondere Methoden, die mit relativ wenig Daten starten können und die Kinetik selber schätzen können. Wir nutzen deshalb insbesondere Boolesche Modelle, die die Verschaltung der Tumor-Signalkaskaden abschätzen und für die dynamische Modellierung semi-quantitative Modelle, die aufgrund der Verschaltung die Sequenz der Ereignisse und ihre relative Stärke berechnen (Software: SQUAD und Jimena). Entsprechende Modelle berücksichtigen die Mutationen und spezifischen Tumor-Driver und werden von uns für wichtige Tumormodelle im Forschungsverbund etabliert werden. Große OMICS Daten sind für die funktionelle Validierung unserer Tumormodelle zentral, Schritt für Schritt werden unsere in silico Tumor-Modelle aufgrund der gemessenen Daten im FORTiTher Verbund verbessert. Die dafür notwendigen Datensätze sind zum Teil bereits vorhanden und werden für einen weiteren Teil im Rahmen dieses Projekts oder anderer bereits geförderter Projekte generiert. Aus allen in FORTiTher beteiligten Projekten werden genetische Signaturen von Tumoren erzeugt. Wirts-Signaturen skelettaler Vorläuferzellen stehen aus der bereits laufenden Kooperation mit den AGs um Prof. Torsten Blunk (TP2 WP2) und PD Dr. Regina Ebert / Prof. Franz Jakob (TP2 WP1) zur Verfügung und werden analysiert. Besonders für das Multiple Myelom sind sehr viele Datensätze vorhanden und werden neue erzeugt aus der Kooperation mit den AGs Prof. Andreas Beilhack (TP2 WP3) und PD Dr. Regina Ebert / Prof. Franz Jakob (TP2 WP1) (jeweils ein gefördertes Projekt aus dem DFG-Schwerpunkt-Programm μBone). Da im Bereich der Myelom-Forschung Zelllinien beschrieben sind, die nach Applikation im Versuchstier einen „Homing“-Prozess durchmachen, lassen sich hier vergleichende Veränderungen der Metastasierung besonders gut verfolgen.
Erwartete Ergebnisse
Wir erwarten, eine systembiologische Modellierung der zellulären Interaktionen zwischen Tumor und Wirt etablieren zu können, die Charakteristika der Metastasierung und der Organotropie aufzeigt und diesbezügliche Vorhersagen ermöglicht. In diesem Zusammenhang erwarten wir auch, die Tumorzellnische des Knochenmarks modellieren zu können und damit Phänomene der Tumor-Stammzell-Entwicklung näher zu beleuchten. Last not least werden wir Modelle entwickeln, die es erlauben, das Ansprechen von Tumoren auf bestimmte Therapeutika im Sinne der Präzisions-Onkologie vorherzusagen.